Eine digitale Nabelschnur in Form der Datenflatrate versorgt uns jederzeit und dank des Smartphones an jedem Ort zuverlässig und ohne große eigene Anstrengung mit emotionalen Nährstoffen. Insbesondere sexuelle Angebote im Netz sind in der Lage, vielfältigste Bedürfnisse und Sehnsüchte anzusprechen und neue zu generieren. Durch die einfache, schnelle Verfügbarkeit des virtuellen Kicks und die intensive Belohnungserfahrung lernen bereits viele Kinder und Jugendliche, Pornografie als hochwirksame Selbstmedikation gegen Langeweile, Stress oder Einsamkeit kennen. Darum ist es nicht verwunderlich, dass die Prävalenzzahlen in diesem Bereich hoch sind: Nach einer Studie von Quarks & Co (WDR, 2017) konsumieren 71 % der 14-17-jährigen Jungen (10 % der Mädchen) mehrmals wöchentlich, 21 % sogar täglich Pornografie. Doch ein exzessiver Konsum lässt selten von alleine nach, auch nicht, wenn Beziehungen darunter leiden. 80 % der jungen Männer zwischen 22 und 30 Jahren konsumieren mehrmals wöchentlich, 23 % sogar täglich Pornografie. Auch bei Mädchen und jungen Frauen nimmt der Konsum zu. Nicht wenige Menschen erleben klassische Anzeichen einer Suchterkrankung mit gedanklicher Vereinnahmung, Kontrollverlust, Nutzung zur Gefühlsregulation, Toleranzentwicklung (u.a. Steigerung hin zu härteren Inhalten) und massiven negativen Konsequenzen wie Beziehungsstörungen, Verlust der Partnerschaft oder des Arbeitsplatzes sowie in vielen Fällen der Entwicklung einer erektilen Dysfunktion. Mit dem neuen ICD11 werden diese Symptome eines exzessiven, suchtartigen Porno- oder Cybersexkonsums erstmals als „Zwanghaftes Sexualverhalten“ (6C72) diagnostisch anerkannt. 

In der Tagesfortbildung wird neben der Erörterung der Besonderheiten und Bedingungsfaktoren dieser Verhaltenssucht und der Psychodynamik anhand von Fallbeispielen ein bewährtes integratives Behandlungskonzept der Online-Sexsucht vorgestellt. Ein langjähriger exzessiver Pornografie– oder Cybersexkonsum kann abgesehen von einer möglichen Suchtdynamik in verschiedenen Bereichen Probleme bereiten. Darum wird u.a. auch die Frage beleuchtet, wie sich eine in den virtuellen Erfahrungsraum verlagerte anonym gelebte Sexualität auf die Wahrnehmung und Regulierung eigener Gefühle und Bedürfnisse sowie auf die Fähigkeit zu Empathie und Intimität in der Partnerschaft auswirkt. Wo Medieninhalte als psychische Prothese fungieren, die geeignet sind, echte Emotionalität und wirkliche Begegnung zu verdrängen, ist Entfremdung ein Kernsymptom, das uns therapeutisch neu herausfordert: Wie können wir Betroffenen helfen, den Weg von der Entfremdung zur Entdeckung der Wirklichkeit – eigener Gefühle, echter Beziehungen und stimmiger Lust und Lebendigkeit (wieder) zu finden?


Termin:
Freitag, den 08. November 2024 von 9 – 16 Uhr via zoom

 

Zielgruppe:
Beratende und therapeutische Fachkräfte, Seelsorgerinnen und Seelsorger

 

Kosten:
120,00€/Person

 

Anmeldung:
per Mail an: info@return-hannover.de

 

Referenten: 

Tabea Freitag
Dipl. Psychologin
Psychologische Psychotherapeutin
Therapie, Fortbildung, Publikationen

 

 

 

Dietrich Riesen
Erzieher und Jugendreferent
Systemischer Berater (SG)
Therapie, Fortbildung, Prävention

 

 

 

Beide haben jahrelange Erfahrung in der Therapie von Betroffenen und Angehörigen einer Porno-/Cybersexsucht.